Erdogan Afan
Am 1. Januar 1940 wurde Erdogan Afan als erstes von fünf Kindern in Perşembe geboren, einem kleinen Ort an der Schwarzmeerküste der Türkei. Dort, in unmittelbarer Nähe zum Meer, wuchs er auf – in einfachen, aber herzlichen Verhältnissen. Seine Kindheit war geprägt von Nähe zur Natur, starkem familiären Zusammenhalt und dem großen Vorbild seines Vaters, der als Polizist im Ort arbeitete – ein Beruf, dem Erdogan lange nacheiferte.
Nach der Schule arbeitete er zunächst mit seinem Bruder im Transportgewerbe. Sie besaßen gemeinsam einen LKW und fuhren durch die Region. Die Reise nach Istanbul, eigentlich geplant, um Unterlagen für den Polizeidienst zu besorgen, brachte eine neue Wendung: Die Brüder erfuhren dort von der Möglichkeit, in Deutschland bei den Ford-Werken zu arbeiten. Es sollte nur ein kurzer Aufenthalt werden – doch wie so oft im Leben kam es anders.
1961 oder 1962 kam Erdogan nach Köln. Dort lebte er in sehr einfachen Verhältnissen, unter schwierigen Bedingungen – fern der Heimat, ohne Sprache, ohne Komfort. Aber wie in seinem gesamten Leben war Aufgeben keine Option. Er kämpfte, arbeitete hart, schaute nach vorn.
Die Arbeit in der Industrie erfüllte ihn nicht – doch das Fahren ließ ihn nicht los. Er kehrte zurück zu seiner ersten beruflichen Leidenschaft: dem Straßenverkehr. Und bald fand er seine große Liebe im Beruf – den Bus.
Ab 1964 war Erdogan Afan als Linien- und Reisebusfahrer im Raum Dormagen tätig. Was als einfache Tätigkeit begann, wurde über Jahrzehnte zu einer Berufung. Man kann heute sagen: Wer seit 1965 in Dormagen je in einem Bus gesessen hat – sei es als Schulkind, Vereinsmitglied, auf Ausflugsfahrt oder großer Urlaubsreise – ist sehr wahrscheinlich irgendwann Erdogan Afan begegnet. An ihm führte kaum ein Weg vorbei.
Er war ein Fahrer mit Herz, mit Offenheit, mit einem Lächeln. Menschen mochten ihn – sofort. Und er mochte die Menschen. Er wurde geschätzt, geachtet, bewundert. Es gibt Zeitungsartikel, die von seinen besonderen Fahrten berichten – etwa 1978, als er mit dem Bus bis nach Südostanatolien fuhr, zu einer Zeit, als solche Reisen noch echte Pionierarbeit bedeuteten.
In dieser Zeit lernte er auch meine Mutter kennen – die große Liebe seines Lebens. Aus einer früheren Ehe hatte er bereits einen Sohn, aus der wiederum zwei Enkelkinder hervorgingen. Der Kontakt war später eher gering, aber auch das gehörte zu seinem Lebensweg.
Mit meiner Mutter, die er 1975 kennenlernte und 1978 heiratete, baute er ein neues Leben auf. Ich, Turgay Afan, wurde 1976 geboren. Gemeinsam zogen wir nach Rheinfeld, wo mein Vater weiter Bus fuhr, meine Mutter bei der AOK arbeitete und wir ein warmes, stabiles Zuhause fanden.
1988 erfüllte er sich einen Herzenswunsch: Am 1. August stand der erste eigene Reisebus vor der Tür. Das war der Beginn seines eigenen Unternehmens – gegründet mit Leidenschaft, Mut und dem festen Glauben an das, was er liebte. Vom heimischen Wohnzimmer aus ging es fortan quer durch Europa und bis nach Asien. Es waren goldene Jahre – für den Busverkehr, für die Firma, für ihn.
1999 stieg ich mit ein – ein großer Moment für ihn. Sein Traum, das Lebenswerk in Familienhand weiterzuführen, wurde wahr. Das Unternehmen wuchs weiter, wurde über die Stadtgrenzen hinaus bekannt – und ist es bis heute.
2009 kam seine Enkelin Charlotte zur Welt – sein späte große Liebe. Sie brachte Licht in sein Leben, das nie ganz so hell war, nachdem meine Mutter vor über zehn Jahren verstarb. Ihr Tod war der schwerste Einschnitt in seinem Leben. Er vermisste sie – täglich.
Trotz allem blieb mein Vater aktiv. Auch nach seinem offiziellen Rückzug aus dem Busfahrbetrieb 2019, mit 79 Jahren, fuhr er weiter Auto. Er kam jeden Tag zum Betrieb, fuhr über das Gelände, prüfte die Busse, holte Ersatzteile, organisierte Mittagessen für das Team. Und wenn jemand Sorgen hatte – er hörte zu. Und trug sie oft direkt zu mir, nicht immer leise, aber immer ehrlich und mit Herz.
Er war ein Mann, der nie aufhörte, sich zu kümmern. Einer, der nie die Hände in den Schoß legte. Auch gesundheitliche Rückschläge während der Corona-Zeit brachten ihn nicht zum Stillstand. Er kämpfte sich zurück. Immer.
Nun ist er auf seiner letzten Reise. Er ist zu Hause gestorben – genau dort, wo er sein wollte, in Würde, in vertrauter Umgebung, in seinem Leben.
Erdogan Afan hat viele Menschen bewegt – im wortwörtlichen wie im übertragenen Sinn. Er hat Menschen zu neuen Orten gebracht – und in ihren Herzen etwas hinterlassen. Viele verbinden mit ihm nicht nur Reisen, sondern Erinnerungen, Emotionen, Lebensfreude.
Erdo bleibt in unseren Herzen.
Denn er hat Spuren hinterlassen. Und er wird auch in Zukunft immer unterwegs sein – durch seine Geschichte, durch sein Lebenswerk, durch das, was er aufgebaut hat.
Auf jedem Fahrzeug des Unternehmens Afan steht das Kennzeichen NE EU. Was einst aus einem Kompromiss entstanden ist – weil „EA“ für Erdogan Afan nicht mehr verfügbar war – hat sich in eine tiefere Bedeutung verwandelt:
„Erdo unterwegs.“
Und so wird es bleiben.
Wenn Sie also das nächste Mal ein Fahrzeug mit diesem Kennzeichen sehen – denken Sie daran:
Erdo fährt mit.
Erdo ist immer noch unterwegs.
Ich hoffe, er hat nun seine letzte Ruhestätte gefunden – und darf wieder an der Seite meiner Mutter Platz nehmen. Dort, wo seine Reise einst begonnen hat, darf sie nun in Frieden enden.
In tiefer Liebe,
Turgay Afan